Am heutigen Weltgesundheitstag möchten wir euch jemanden vorstellen, der sich beruflich mit dem Thema Gesundheit beschäftigt: Unseren redaktionsinternen Ernährungswissenschaftler Nicolas Ting. Er ist die Stimme hinter unseren Tipps und berät uns bei allen Fragen rund um die Kleinkind-Ernährung.
Ein Gespräch über das richtige Essen im Kleinkindalter, die Vorbildfunktion von Eltern, das eigene Lieblingsessen und darüber, ob man als Ernährungswissenschaftler auch mal einen Burger isst.
„Ernährungswissenschaftler“ hört sich so akademisch an – was macht man denn da? Wo liegen die Schwerpunkte?
Die Schwerpunkte sind abhängig von der jeweiligen Ausbildung. Ich habe mich im naturwissenschaftlichen Bereich spezialisiert (und weniger im Bereich der Lebensmitteltechnologie). Grundsätzlich beschäftige ich mich wissenschaftlich mit allen Fragen der Ernährung des Menschen. Dazu gehört natürlich vor allem die Frage, welche Ernährung gut für die Gesundheit einer bestimmten Zielgruppe ist.
Beispielsweise Babys und Kleinkinder. Ich betrachte dann das große Ganze: den Lebensstil, die Lebensmittel an sich, dazu Gesundheits- und Umweltaspekte ebenso wie die psycho-soziale Funktion von Essen. Dazu kommen dann Themen wie Lebensmittelwissen und Know-how über die Biofunktionalität von Lebensmittelinhaltsstoffen.
Also, man sieht: durchaus wissenschaftlich. Aber das, um was es geht, das Essen nämlich, ist ja ein grundlegender Bestandteil unseres täglichen Lebens. Da geht es dann doch um Praxis, nicht nur um theoretisches Wissen. Meine Aufgabe besteht darin, diese beiden Welten zu verbinden. Und aus der Theorie eben Praxis zu machen.
Wann und wieso hast du dich dann auf Kinder-Ernährung spezialisiert?
Vor allem aufgrund meiner eigenen Kinder. Mit ihnen habe ich ja immer ein Beispiel direkt vor der Nase. Schon im Studium hat mich der Bereich sehr interessiert und ich habe dann unter anderem zum Gemüseverzehr bei Kindern geforscht. Zudem berate ich Kindergärten und erarbeite mit ihnen Strukturen und Ideen für das Essensangebot. Das macht unglaublich viel Spaß – zu sehen, wie man Kindern schon von klein auf die Freude am guten Essen vermitteln kann.
Dabei spielt der Präventionsgedanke eine große Rolle: Wenn wir Kinder früh darin bestärken, selbst entscheiden zu können, wie bewusste und gesundheitsförderliche Ernährung aussieht und wie aktiver Lebensstil gelebt wird, dann werden sie von diesem Wissen ihr Leben lang profitieren. Das zu sehen und zu wissen, und aktiv dazu beizutragen, ist ein ganz wundervoller Beruf.
Was sind deine grundlegenden Erfahrungen bei der Arbeit mit Kindern?
Man kann sehr viel „bewegen“. Essen mit und für Kinder bedeutet Geduld und Spaß zu haben, Neugier zu wecken, dabei selbst neugierig zu sein und den Genuss an gesundem und gutem Essen in den Vordergrund stellen. Kinder sollte man partizipieren lassen – wir stoßen die Türen zur Vielfalt auf, kreieren Wünsche, bieten Lösungen an und geben das Rüstzeug. Mehr braucht es im Grunde nicht. Die Kinder nehmen das Angebot an und wachsen daran und damit. Wichtig ist vor allem, dass man als Erwachsene und als Eltern ein Vorbild ist. Quasi das „Modell“, an dem die Kinder lernen. Das kann Ernährung sein oder Sport, aber auch mentale Stärke.
Was bedeutet für dich gesundes Essen – gerade mit Bezug auf Kinder?
Das bedeutet für mich vor allem, die Vielfalt kennen zu lernen und vielfältig zu essen. Das Essen mit vielen Farben spicken – denn das Auge isst mit! Auch und gerade bei Kindern. Betont pflanzlich essen: Das heißt nicht, auf Fleisch völlig zu verzichten, es aber doch sehr bewusst zu genießen. Das ist generell ein wichtiger Punkt für mich: bewusst zu essen. Über Essen und Genuss reden und Genuss ermöglichen. Und auch: Das Essen MIT den Kindern und nicht nur FÜR die Kinder machen. Sie sollten von klein auf Lebensmittel kennenlernen und dabei zusehen wie sie zubereitet werden, mithelfen bei der Zubereitung – und damit ein Gefühl für die Wertigkeit der Nahrungsmittel und des Essens zu bekommen.
Thema Kleinkinder: Muss man da auf etwas achten, was bei etwas älteren Kindern vielleicht nicht mehr so wichtig ist?
Beim Wechsel von der Breikost zur Familienkost können anfangs durch die Adaption an das „andere“ Essen Nährstoffdefizite auftreten. Das ist aber völlig normal und schadet dem Kind nicht. Grundsätzlich sollte man auf die individuelle Entwicklung der Essfertigkeiten eingehen – im Alter von 1 bis 3 Jahren tut sich da sehr viel.
Kleinkinder, die gerade umstellen, reagieren manchmal stärker und empfindlicher auf Fremdstoffe in Lebensmitteln. Zudem haben sie einen etwas höheren Eiweißbedarf bezogen auf kg des Körpergewichtes (1,0 g Eiweiß – bei älteren Kindern sind es 0,9).
Und Kleinkinder brauchen in Relation zu ihrem Körpergewicht gesehen mehr Eisen als 4- bis 6-Jährige. Eisenhaltige Lebensmittel sind beispielsweise Fleisch, Spinat, Fenchel, Hülsenfrüchte, Kürbiskerne und Sonnenblumenkerne. Auch Vitamin D-Mangel ist ein Thema bei Kleinkindern. Daneben sind Kleinkinder anfälliger für Dehydratation als ältere Kinder, das bedeutet, das regelmäßige Trinken ist bei Kleinkindern noch wichtiger.
Gibt es etwas, das man vermeiden sollte?
Kleine, harte Lebensmittel wie Nüsse sollten wegen der Verschluckungsgefahr nicht oder erst später gegeben werden. Alternativ kann man beispielsweise Mandel- oder ein anderes Nuss-Mus als Brotaufstrich verwenden.
Auf starkes Würzen und Aromatisieren sollte man verzichten und die Würzstärke schrittweise steigern. Süßungsmittel sollten tabu sein, das gilt auch für den Honig im Tee. Gut zu wissen, wenn man vor den Regalen im Supermarkt oder Drogeriemarkt steht: Spezielle Lebensmittel für die Ernährung von Kleinkindern – also bis zum dritten Geburtstag – unterliegen der Diät-Verordnung. Das bedeutet Nährstoffsicherheit und ein Minimierungsgebot für Pestizide. Diese Nahrungsmittel werden dementsprechend streng geprüft. Man kann sich also sicher sein, dass die Inhaltsstoffe unbedenklich sind.
Wendest du das alles auch bei deinen eigenen Kindern an?
Ja klar!
Dein persönliches Lieblingsessen?
Linsen, Spätzle und Saitenwürstle – ein schwäbischer Klassiker, der von den Komponenten her sehr ausgewogen ist. Und dabei komme ich doch aus dem badischen Teil von Baden-Württemberg …
Und dein Favorit aus der Kleinkind-Küche?
Da habe ich drei: Vollkornnudeln, Banane und Gemüsebratlinge oder Falafel mit Dip.
Und erzähl und doch gerne noch eine lustige Anekdote aus deinem Arbeitsalltag!
Die Menschen haben generell viele Vorstellungen von Ernährungswissenschaftlern. Nicht alle entsprechen der Realität. Manche fragen mich, ob ich denn auch mal einen Burger esse oder zu McDonalds gehe … Ich bejahe das dann, aber füge mit Augenzwinkern hinzu, dass ich mir meinen Burger am liebsten selbst mache. Mit selbst gemachten Pommes. Und ich nehme ab und an auch Nahrungsergänzungsmittel. Wenn ich das dann erzähle, haben mich alle wieder lieb.
Vielen Dank für das Interview, Nicolas!