Oder: Wie ich lernte, vor dem Regal mit der Gläschenkost nicht in Panik zu verfallen.
Es soll ja Mütter geben, die überzeugt sind, es wird schon alles gut gehen, wenn man alles nur mit genügend Gelassenheit anginge. Ich hatte mit fest vorgenommen, eine dieser ganz entspannten Mütter zu werden. Eigentlich gelang mir das als frisch gebackene Mutter ziemlich gut. Zumindest bis zu dem Tag, an dem das Thema Beikost das erste Mal im PEKiP Kurs zur Sprache kam.
Wer glaubt, dass Diskussionen über Politik und Religion schwierig sind, hat noch nie Gespräche miterlebt, ob man die Beikosteinführung mit Karotte oder Pastinake beginnen sollte. Mit den überhaupt mit Gemüse anfangen müsse, Vertreter in die Runde geworfen. Schließlich gelte es als moderner Notar auch alte Glaubenssätze zu hinterfragen. Eine Mutter, die vorsichtig wissen wollte, welcher Babybrei-Marke von den vielen im Drogeriemarkt-Regal man denn vertrauen könne, erntete böse Blicke. Frisch müsse sie kochen! Schließlich könne man nur so wissen, was wirklich auf den Löffel kommt. Ein Gläschen wäre ja nur im Notfall eine Option. Ich traute mich danach nicht einmal mehr im Beisein anderer Mütter das Wort Gläschen in den Mund zu nehmen. Genauso gut hätte ich sonst gleich eine tickende Bombe in die Mitte der Krabbeldecke legen können.
Vergesst Dynamit! Nehmt Pastinaken und Karotten.
Aber es braucht für solche Diskussionen nicht einmal einen Babykurs. Wer Karotte und Pastinake in die Suchmaschine seines Vertrauens eingibt, wird Zeuge nicht enden wollender Kommentare in Eltern Foren.
Darüber, welches Wurzelgemüse denn nun zuerst den Weg auf den Familientisch finden darf, muss erst ausführlich diskutiert werden. Und wehe, es wird ein Aspekt vergessen.
„Für viele Eltern, vor allem die Mütter, bleibt Gelassenheit der größte unerfüllte Wunsch“, schrieb vor ein paar Jahren schon das Rheingold Institut in Köln einleitend zu einer von ihnen durchgeführten Studie zur Situation von Müttern. Es gäbe sie leider kaum noch, die entspannte Mutter. Viele deutsche Mütter sind verunsichert, fühlen sich oft genug überfordert und sehen sich einem permanenten Perfektionsdruck ausgesetzt. Zwar tragen 78 Prozent der befragten Frauen Gelassenheit als große Vision beim Thema Kinder kriegen und Kinder haben vor sich her, doch nur 44 Prozent fühlen sich beim Thema Kinder wirklich entspannt.
Warum gibt es Gelassenheit nicht einfach im Supermarkt?
Auch ich hatte mit meinem Erstgeborenen Situationen, in denen ich mich fragte, in welchem schwachen Moment ich auf die Idee gekommen bin Kinder zu bekommen. Oder, warum es Gelassenheit nicht auch im Supermarkt gibt, quasi gleich neben den Chipstüten. Ich hätte sie auch intravenös gern genommen – am liebsten gleich nach der Geburt noch während man am Dammriss genäht wurde. Und am besten noch vor dem Moment, als ich glaubte, die einzige Frau auf der Station zu sein, die ihr Baby nicht satt bekommen würde, weil sie immer noch keinen Milcheinschuss hatte.
Über solche Gedanken kann ich natürlich jetzt als Mutter von drei gesunden Kindern im Alter von vier, acht und elf Jahren nur schmunzeln.
Mein großes Glück war, dass ich jetzt als frisch gebackene Mutter von meinem Sohn viel lernen durfte. Manchmal schaute ich ihn an und fragte ihn: „Was denkst du? Was sollen Mama und Papa jetzt am besten machen? Welcher von den Millionen guten Ratschlägen ist denn jetzt der richtige? Die richtige für uns?“
Mit dem Vertrauen in unsere Kompetenz kam die Gelassenheit
Auf jedes Kind, das in diese Welt hineingeboren wird, kommen mindestens zehn gute Ratschläge. Viele von denen sind solche, um die man gar nicht gebeten hat. Gern auch von Menschen, die weder einen selbst noch das Kind kennen.
Mitten in der U-Bahn bekam ich direkt zu meinem weinenden Kind einen dieser gut gemeinten Ratschläge direkt um die Ohren geklatscht. Ich erinnere mich noch gut.
„Ja, das merkt man. Da hat aber einer Hunger!“, tönte es plötzlich über meine Schulter direkt in den Kinderwagen hinein. „Kriegt der denn schon Brei? Also wir haben ja immer Schmelzflocken rein gemacht. Da schlafen sie dann endlich auch mal anständig durch!“
Ich blieb der Frau mit ihren zwei vollgepackten Plastiktüten eine Antwort schuldig und war froh dass ich aussteigen musste.
Für mich war aber das eines der Schlüsselmomente in Sachen Beikost. Ich wollte mich nicht von Ratschlägen Tüten tragender Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln nervös machen lassen. Mein Mann und ich waren die, die uns und unser Kind am besten kannten. Wir waren ein Expertenteam. Nicht immer verstanden wir Erwachsenen den jüngsten Experten in unserer Runde auf Anhieb. Aber wir beschlossen, voneinander und für einander zu lernen.
Und wie haben wir bei der Gemüsefrage entschieden? Ich weiß heute nicht mehr genau, ob es nun Karotten- oder Pastinakenbrei war, den unser Sohn neugierig kostete. Ich erinnere mich aber sehr genau, dass wir uns Zeit ließen, bis unser Sohn signalisierte, dass er das Essen auf dem Tisch sehr spannend fand. Auch überließen wir großzügig das Kochen den Fachleuten eines Babykostherstellers und konzentrierten uns lieber auf die ausgefeilte Technik, den Brei in den Mund zu bekommen ohne die Wohnung renovieren zu müssen.
Und geht es zum Baby-Beikostplan zum ausdrucken!
Vielen Dank an Sophie Lüttich für diesen tollen Beitrag auf der Aktion Kleinkind-Ernährung!