„Mama, Schoko?“, fragt das Kind und setzt einen treuherzigen Hundeblick auf. Das ist einer dieser Momente, die man als Eltern gar nicht mag. Denn einerseits will man seinem Kind auch etwas „gönnen“ und nicht ständig den Anti-Schoko-Spießer rauskehren. Und wir wissen ohnehin: Verbote bringen überhaupt nichts.
Andererseits klingelt es aber leider immer alarmierend im Hinterkopf: Zu viel Süßes kann Folgen haben! Denk an Übergewicht und Karies! Und verwöhne dein Kind nicht zu sehr!
Wie also finde ich einen guten Kompromiss? Und wie viel Süßes kann ich meinem Kind mit gutem Gewissen geben? Und zu welchen Gelegenheiten?
Die Vorliebe für Süßes ist angeboren
Generell ist uns die Vorliebe für Süßes erst einmal angeboren. Das Fruchtwasser ist süß, auch Muttermilch schmeckt süß. Für die ersten Lebenswochen ist es lebensnotwendig, dass das Baby durch die Süße im wahrsten Sinne des Wortes auf den Geschmack gebracht wird.
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Zucker viele, auch für Kinder negative Eigenschaften mit sich bringt, gerade in Zusammenhang mit Übergewicht. Denn die oftmals durch eine eher kohlenhydratlastige Ernährung ohnehin positive Energiebilanz wird durch gezuckerte Getränke und energiereiche Snacks weiter nach oben getrieben. Falsche Ernährung und zu wenig Bewegung haben Folgen: Mittlerweile ist jedes sechste Kind in Deutschland übergewichtig. (Quelle: Kurth, B.-M., Schaffrath Rosario, A. & RKI (Hrsg.), 2007. Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt (50))
Süßigkeiten haben oft eine unausgewogene Nährstoff-Verteilung, das heißt, sie sind kalorienreich und haben daher eine hohe Energiedichte. Außerdem verdrängen sie andere, ausgewogenere, frische Lebensmittel vom Speiseplan. Denn wer kennt das Dilemma nicht: Vor dem Kind steht ein Teller mit dem frischesten und knackigsten Obst und es verlangt lautstark nach einem Brot mit Schokoaufstrich. Das tolle Obst ist völlig uninteressant.
Auch in solchen Fällen gilt natürlich: Die Menge macht die Musik. Aber wo ist die Grenze? Wie viel ist zu viel? Zumal es Studien gibt, die einen Zusammenhang zwischen Süßem und der Geschmackspräferenz herstellen. Soll heißen: Übermäßiger Konsum süßer Lebensmittel macht uns gezuckerte Lebensmittel nur noch schmackhafter. Und am Ende des Tages wollen wir dann nichts anderes mehr.
(Quelle: Rabenberg, M., & Mensink, G. B. M. (2013). Limo, Saft & Co – Konsum zuckerhaltiger Getränke in Deutschland. GBE kompakt 4(1). Berlin: Robert Koch-Institut. Online: http://edoc.rki.de/series/gbe-kompakt/2013-1/PDF/1.pdf (Stand: Februar 2016)
Tipps zum Umgang mit Zucker
Kein Wunder, dass das Thema Zucker Eltern bewegt wie kaum ein anderes und die Unsicherheit groß ist. Wir haben einige Regeln und Tipps unseres Ernährungswissenschaftlers Nicolas Ting zum Umgang mit Zucker und Süßigkeiten zusammengestellt:
- Eine Portion (Faustregel: eine Kinderhand voll) Süßigkeiten am Tag ist absolut in Ordnung. Verbote wecken nur Begehrlichkeiten und führen oft zu entgegengesetzten Effekten.
- Lieber Mini-Portionen anbieten und diese dann wiederholen.
- Süßes als etwas ganz Normales behandeln, das man nur in kleiner Menge isst.
- Süßes selbst herstellen und backen, denn dabei kann man problemlos die Zuckermenge selbst regulieren und reduzieren. Tipp: Beim Backen auch öfter mal Vollkornmehl verwenden – das macht schneller satt und die Kalorienmenge sinkt.
- Alternativen suchen: Statt fertigen Fruchtjoghurt auch mal Naturjoghurt nehmen und mit frischen Früchten oder Fruchtpüree süßen.
- Süßigkeiten sind keine Erziehungsmittel, beispielsweise zur Belohnung, Beruhigung, Ablenkung von unangenehmen Dingen oder als Leistungsanreiz. Zur Belohnung lieber auf etwas aus dem Non-Food-Bereich zurückgreifen.
- Nicht alleine naschen lassen, sondern gemeinsam etwas Süßes essen.
- Generell wenig Süßes kaufen – keine Süßigkeiten-Schublade anlegen, in der Schoki und Kekse gehütet werden. Süßes auch nicht offen herumliegen lassen.
- Dem Wunsch nach Süßem vor allem beim Einkaufen nicht nachkommen, auch wenn es schwer fällt. Am besten schon vorher Alternativen überlegen wie „Such dir doch einen Naturjoghurt aus und wir schnibbeln dann eine leckere Banane rein und/oder reiben etwas Schoki drüber…“
- Bitte keine Süßigkeiten vor oder anstatt einer Mahlzeit.
- Und natürlich: Selbst gutes Vorbild sein.
Übrigens: „Zuckeralternativen wie Honig, Rohrzucker, Fruchtdicksäfte oder Sirupe bieten keine Vorteile“, sagt Nicolas Ting. Wer sich also denkt, er süßt den Tee lieber mit Honig, weil das ein natürlicheres Lebensmittel ist als industriell hergestellter Zucker, umgeht die Süßigkeiten-Problematik dadurch leider nicht.
Welche Getränke sollte man wählen?
Bei Getränken sollte man von zuckerhaltigen Limonaden unbedingt absehen. Sie liefern zu viele Kalorien und fördern obendrein, vor allem beim Dauergenuss durch die Nuckelflasche, die Entstehung von Karies. Obstsäfte verdünnt man am besten im Verhältnis 1:2 oder 1:3. „Im Saft sind die bioaktiven Stoffe aus der verarbeiteten Frucht durchaus noch vorhanden, das ist ein Plus. Jedes Obst enthält von Natur aus Zucker und im Saft ist die Konzentration natürlich höher als in der ursprünglichen Frucht. Aber natürlich kann man seinen Kindern auch Säfte zu trinken geben. Idealerweise als Schorle“, rät Ernährungswissenschaftler Ting. „Das Hauptgetränk für Kleinkinder sollte aber auf jeden Fall Wasser sein.“
Sein Fazit zum Thema Zucker: „Eltern sollten entspannt an das Thema herangehen. Verbote bringen rein gar nichts, das Kind wird sich seine Bedürfnisse dann an anderer Stelle stillen. Auch wenn die Oma oder der Opa mal einen Schokoriegel zustecken: Das ist kein Drama und das Kind kann diese besonderen Momente auch sehr gut einordnen.
Wichtig ist vor allem, dass die Eltern selbst mit gutem Beispiel vorangehen und Süßes nicht als Allheilmittel eingesetzt wird, das dann wahlweise bei Lob oder zum Trost zum Einsatz kommt. Und am besten schon früh damit anfangen, den Kindern genussvolle Alternativen anzubieten und aufzuzeigen. Ein Stück Vollkornbrot mit Marmelade ist beispielsweise ebenfalls süß, sättigt aber nachhaltiger.